Abo | 20.04.2024

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Martina Barth Personal Training: Schmerz entsteht im Gehirn

Das Interview führte: Thomas
Foto: Martina Barth

Martina Barth Schmerztherapie

Wer bist Du und was machst Du?

Martina: Ich bin Martina und Personaltrainerin in Regensburg mit einem neurozentrierten Ansatz. Das heißt, es geht ganz viel um Schmerztherapie.

Was bedeutet neurozentriert?
Ich arbeite viel mit den Prozessen, die im Gehirn ablaufen. Wenn du zum Beispiel Knieschmerzen hast, existiert er ja nicht in deinem Knie, sondern im Gehirn. Durch diesen Ansatz kannst du den Schmerz mindern. Ich versuche immer, die Ursache herauszufinden, warum es überhaupt zu diesem Knieschmerz gekommen ist: Bist du blöd ausgerutscht, sind Bänder gerissen? Dann ist das Ganze einfach zu erklären. Oft ist es zwar eine Muskel-, Band- oder Knochengeschichte, aber häufig geht es auch um die Wahrnehmung, das Gleichgewichtssystem und die Gelenkstellungen.

Wie bist Du dazu gekommen?
Ich komme vom Leistungssport, habe Leichtathletik in Bad Kötzting gemacht, 800 Meter. Ich habe dann in Regensburg Sport studiert und erstmal klassisch im Fitnessstudio angefangen. Als ich nach Weiterbildungen gesucht habe, bin ich auf diesen neurozentrierten Ansatz gekommen. Er wird vor allem in Amerika praktiziert. Der Sportwissenschaftler Lars Lienhard hat ihn nach Deutschland gebracht. Ich habe bei einer US-Universität verschiedene Kurse dazu belegt. Mich hat dieser Ansatz sehr überzeugt, weil ich vorher auch nie hinterfragt hatte, woher der Schmerz eigentlich kommt. Aber nur so kommst du an die Ursache heran. Vieles von dem, was ich vorher gemacht habe, war reine Symptombehandlung. Wie bei einer Physiotherapie: Sie hilft zwar, aber nur solange du in Behandlung bist. Damit ist aber das eigentliche Problem nicht beiseite geräumt.

Bist du dann der Feind vom normalen Gesundheitssystem?
Das Gesundheitssystem hat viele Probleme. Klassisches Beispiel: Frauenarzt. Frauen wird sofort die Pille verschieben, ohne zu hinterfragen, ob es überhaupt Sinn macht. Weil man zum Beispiel mit einer Spirale nicht so viel Geld verdient, wie mit einer Pille, die man jahrelang verkaufen kann. Dieses Muster zieht sich durch andere Bereiche: Wenn man Probleme mit dem Gleichgewicht hat, bekommt man sofort Medikamente verschrieben. Obwohl man es auch, je nach Ursache, trainieren könnte. Mir geht es immer um den konservativen Ansatz, ohne Medikamente oder OPs. Ein Miniskusriss muss zum Beispiel nicht zum Problem oder zum Schmerz führen und muss auch nicht unbedingt operiert werden. Ein Ansatz kann sein, die umliegende Muskulatur zu kräftigen. Denn jede OP ist Stress für den Körper und eine zusätzliche Gefahrenquelle, die wiederum zu weiteren Problemen führen kann.

Und da hilft der neurozentrierte Ansatz?
Ja. Denn unser Gehirn will uns immer nur schützen. Es bekommt ständig Informationen, über die Augen, den Gleichgewichtssinn und den Körper. Stehst du gerade sicher? Droht Gefahr? Wenn Du zum Beispiel wahrnimmst, dass etwas über Dich fliegt, dann zuckst du zusammen. Das passiert in einer Gehirnregion, die relativ primitiv gestrickt ist und wirklich nur diesen Job hat, uns das Überleben zu sichern. Aber wir haben ja noch den Frontalkortex, das zweite Gehirn mit dem logischen Denken. Dieses erkennt: Okay, es war nur eine Taube – und fährt den Schutzmechanismus herunter. Bei den meisten Schmerzklienten hat dieser Schutzmechanismus irgendeine Fehlfunktion. Deshalb bleibt der Mensch in dieser angespannten und schützenden Position.
Außerdem strukturiert sich das Gehirn ja auch lebenslang um. Es ist nicht so, dass es mit 25 Jahren ausgearbeitet ist. Deshalb kann man auch mit 72 Jahren noch anfangen, neue Sprachen zu lernen. Ich nutze den Mechanismus, wenn es um Schmerzen geht, um die negativen Erfahrungen, die zu den chronischen Schmerzen geführt haben, umzukehren. Wir geben dem Gehirn neue Informationen, die auch zusammenstimmen sollten. Beispiel: Skiunfall. Das Gleichgewichtssystem, das jeweils links und rechts sitzt, hat einen Schaden abbekommen. Es entsteht eine Dysbalance. Das Gehirn denkt: Die linke Seite ist mehr aktiviert, also gehe ich auch in die Richtung. Als Folge passen sich aber die Augen auch an – und der Körper geht in die andere Richtung. Für das Gehirn sind es zwei verschiedene Informationen, es ist verwirrt. So entsteht Schmerz. Auch Depressionen können die Folge einer derartigen Dysbalance sein.

Du arbeitest selbstständig. Wann hast du den Schritt gemacht?
2019, erst teilselbstständig. Es lief aber sehr schnell sehr gut. Also habe ich gesagt: Ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, um es richtig zu machen. Seit 2021 habe ich auch mein Studio in der Holzgartenstraße.

Wie viel arbeitest Du?
Kann ich dir nicht sagen, weil ich es auch wirklich nicht als Arbeit sehe. An manchen Tagen arbeite ich 14-15 Stunden, an anderen ist es, wie heute, entspannt. Seit einem Jahr versuche ich die Wochenenden freizuhalten. Zum Training kommen aber auch andere Aufgaben hinzu, wie Kundenanfragen beantworten, Trainingspläne schreiben und Content zu machen. Letzteres macht etwa 20 Prozent der Zeit aus. So kann ich durch Stories und Posts auf Instagram zeigen, wie das Training abläuft. Ich mache auch gerne Stories zu Schlaganfall-Klienten, weil dieses wichtige Thema dort sonst nicht zu sehen ist. Ich will mit meinem Ansatz ein bisschen Hoffnung geben. Zum Beispiel hatte ich eine Kundin, die mit zwölf Jahren einen Schlaganfall gehabt hat, jetzt ist sie Mitte 50. Nach zwei Jahren Training mit mir hatte sie bahnbrechende Erfolge, was auf der einen Seite wunderschön ist. Auf der anderen Seite ist es einfach so traurig, weil sie ihr Leben mit Einschränkungen verbracht hat - und das hätte nicht sein müssen.

Wer ist deine Zielgruppe?
Unterschiedlich, vom zwölfjährigen Mädchen bis zum 75-Jährigen. Meist geht es um chronische Schmerzen, wenn etwa auch nach der Reha keine Besserung eintrifft. Dann können Depressionen auftreten, wenn Menschen jeden Tag mit Schmerzen aufwachen und versuchen, den Tag zu bestreiten. Deswegen ist mir so wichtig, dass die Klienten ein gutes Verhältnis zu mir haben und mir vertrauen. Ich will ihnen ein gutes Gefühl geben, dass ich sie ernst nehme und ihnen zuhöre, weil es bei den meisten Ärzten nicht stattfindet. Die Ärzte können ja nichts dafür, weil ihnen einfach die Zeit fehlt. Das sehe ich aber am Gesundheitssystem kritisch.

Wie schaut es bei dir mit Urlaub aus?
Da ich meine Wochenenden frei halte und auf mentale Gesundheit achte, brauche ich selten Urlaub. Es kommt auch so viel zurück, dass ich es gar nicht beschreiben kann. Und mir liegt die Gesundheit der Klienten einfach so am Herzen.

Was kannst du am besten?
Zuhören und Menschen einschätzen. Das hilft mir im Beruf natürlich weiter und ich kann schnell entscheiden, welcher Ansatz jetzt helfen könnte.

Bist du selbst noch sportlich unterwegs?
Ja, ich habe ja 800 Meter gemacht und habe dann mit 20 Jahren Herzrhythmusstörungen bekommen. Da ist mir ein Jahr lang nicht gut gegangen, ich hatte auch Todesangst und bin mental abgerutscht. Die Ärzte wussten nicht, was es ist. Im Endeffekt habe ich mich selbst herausgebracht und bin dann in den Kraftsport gewechselt. Deshalb kann ich den Klienten auch eine andere Perspektive mitgeben: Ich frage sie, ob es zum Zeitpunkt, als der Schmerz aufgetreten ist, etwas Dramatisches passiert ist. Dann macht es oft klick – und ich schicke sie zum Experten weiter, damit sie eine professionelle Behandlung bekommen, weil ich keine Therapeutin bin. Viele Menschen beginnen im Coaching zu weinen. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, dass sie sich geborgen fühlen. Aber es kommt viel Leid zutage und das ist sehr traurig.

Denkst du abends noch mal drüber nach?
Grundsätzlich sollte man nicht alles nach Hause mitnehmen. Es ist aber menschlich, dass ich bei einem Schicksalsschlag nochmal überlege, was ich jetzt noch machen könnte, um zu helfen. Ich versuche auch immer, das Netzwerk zu nutzen, das ich mir aufgebaut habe.

Wie wird man grundsätzlich fitter, wenn man für sich keine Sportart findet?
Weitersuchen! Denn die Motivation kann dir niemand geben. Das ist auch manchmal das Problem, wenn Menschen zu mir kommen. Ich gebe einen Input, aber die Hauptarbeit müssen sie zuhause machen. Das vergessen aber viele. Wenn es nur um den sportlichen Aspekt geht und weniger um Schmerzen, würde ich sagen: Mach, worauf du Bock hast! Denn jedes Workout ist besser als keins. Aber ich würde mich nie zwingen.

Kannst du gut verkaufen?
Ich denke schon. Nur habe ich ein Problem mit diesem Wort „verkaufen“, weil es in meinem Training nicht um das Finanzielle geht. Die gewonnene Lebensqualität ist viel mehr wert. Aber die meisten Menschen, die das Erstgespräch buchen, schließen danach auch einen Vertrag ab. Also muss das, was ich sage und ausstrahle, eine Wirkung haben.

Welche Anfragen kommen am meisten?
Etwa 80 Prozent kommen wegen Schmerzen zu mir. Wenn zum Beispiel die Reha nicht verschrieben wurde oder keine Besserung gebracht hat. Ein beliebter Satz von Ärzten ist auch, das ein Körperteil einfach nicht mehr belastbar oder etwas nicht mehr möglich sei. Das finde ich schwierig, weil der Arzt dann eine Grenze setzt und dich einordnet. Wie soll der Mensch auf die Idee kommen, dass der Mann im weißen Kittel auch nicht recht haben könnte? Wenn er hört, er kann etwas nicht mehr machen, dass ist die Wahrscheinlichkeit, dass er es irgendwie angeht, sehr gering. Das finde ich so schade, weil ich jeden Tag sehe, dass so viel mehr möglich ist. Eine Klientin lief zum Beispiel am Stock. Nach der zweiten Stunde habe ich sie gefragt, ob sie ihn wirklich braucht. Dann hat sie ihn weggelassen und es ging auch ohne. Die Einschränkungen sind teilweise nur im Kopf. Eine andere kann jetzt allein Treppen steigen. Gibt es etwas Schöneres, als die Lebensqualität zurückzugewinnen? Wenn beim Skifahren das Kreuzband reißt und die OP schiefläuft, sagen die meisten: Ok, so ist es halt jetzt. Nein! Das ist einfach Quatsch und da werde ich richtig wütend. Das kann‘s doch nicht sein! Natürlich soll man immer auf Nummer sicher gehen. Aber unser Körper kann mehr.

Was würdest Du machen wenn Du nicht mehr arbeiten müsstest?

Genau das, was ich mache. Am Strand leben kann man ja ein paar Wochen oder Monate machen. Aber jeder Mensch braucht eine Aufgabe. Und ich habe schon immer gewusst, dass ich in die sportliche Richtung gehen will. Jetzt hat es sich in die schmerztherapeutische Richtung entwickelt, was mir auch so viel zurückgibt. Sonst würde ich etwas mit Tieren machen, die man streicheln kann.

Was hast Du heute noch vor?

Ich treffe mich noch mit einem Kumpel zum Essen, im Zuge der Work-Life-Balance.



Dankeschön Martina für das Interview!
Hier ist die Internetseite:
www.martinabarth-personaltraining.de



Tolle Menschen im
Interview - das gibt's bei regensburg-regional.de

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